„Ich werde diese Augen niemals vergessen“ (2024)

Mutmaßliches Vergewaltigungsopfer sagt gegen Christian B. aus

„Ich werde diese Augen niemals vergessen“

von Samira Bonneik, Daniel Kandora und Anna-Sophie Schütz

Er soll sie über Stunden vergewaltigt haben!

Im Prozess gegen den Maddie-Verdächtigen ist sie eine der wichtigsten Zeuginnen – Hazel B. Denn: Sie ist das einzige bekannte von drei mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern von Christian B. Jetzt sagt sie gegen ihren vermeintlichen Peiniger aus – doch laut seiner Verteidigung passt ein wichtiges Detail ihrer Aussage nicht.

Hazel B.: „Nie habe ich einen Schmerz gefühlt wie in diesem Moment"

Der Abend in Portugal, um den es an diesem Mittwoch und Donnerstag (15. und 16. Mai) in Braunschweig geht, liegt bereits 20 Jahre zurück. Es wirkt aber so, als seien die Ereignisse Hazel B. so präsent, als wären sie erst gestern passiert. Ein maskierter Mann kommt wohl über den Balkon in ihr Hotelzimmer, bedroht sie mit einem Messer. Dann beginnt das Martyrium der damals 20-Jährigen. Über Stunden soll die Irin vergewaltigt und misshandelt, ihr Leid teilweise mit einer Videokamera gefilmt worden sein.

„Ich habe drei Kinder geboren, aber nie habe ich so einen Schmerz gefühlt wie in diesem Moment“, berichtet die heute 40-Jährige vor Gericht. Immer wieder kommen ihr die Tränen. Auch wenn ihr Peiniger maskiert gewesen sein soll, ein Eindruck von ihm ist geblieben: „Ich kenne seine Augen, ich werde diese Augen niemals vergessen.“

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Im Video: Christian B. am ersten Verhandlungstag

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Plötzlich blickt Hazel B. erneut in diese blauen Augen

Wer Hazel B. das angetan haben soll, kann damals nicht ermittelt werden. Doch plötzlich, Jahre später, sollen sie wieder da gewesen sein – diese Augen: Nach eigener Aussage liest Hazel B. einen Artikel über das Verschwinden der kleinen Maddie McCann. Darin geht es auch um den Hauptverdächtigen Christian B., sein Aussehen, seine Größe und Statur werden beschrieben. Hazel B. sagt, sie habe den Angeklagten daraufhin gegoogelt, ein Foto von ihm gesehen – und in seine Augen geblickt. Es sollen genau die blauen Augen gewesen sein, in die sie als 20-Jährige in der entsetzlichen Juni-Nacht geblickt haben will. Hazel B. sagt, ihr sei bei dem Anblick schlecht geworden, dann habe sie das BKA informiert.

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Vor Gericht durchlebt sie die Qualen der Vergangenheit jetzt erneut. „Das alles nach so vielen Jahren nochmal vor all diesen Menschen zu erzählen, ist nicht einfach“, sagt sie. Immer wieder muss sie ihre Aussage unterbrechen. Doch die Verteidigung hat Zweifel an ihrer Schilderung.

Solltet ihr auch unter sexueller Gewalt leiden, findet ihr Hilfe unter der kostenlosen Hotline 08000 – 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de.

Kann Hazel B. ihren Peiniger zweifelsfrei identifizieren?

Das ist die zentrale Frage, mit der Christian B.s Verteidigung die Aussage der 40-Jährigen in Zweifel zieht. So liegen die Ereignisse einerseits 20 Jahre zurück. Andererseits sei nicht klar, warum Hazel B. Christian B. gegoogelt haben soll, nachdem sie den Artikel über den Maddie-Verdächtigen gelesen hatte. Denn: Die rein oberflächliche Beschreibung von Christian B. –männlich, hellhaarig, schlank – treffe auf unzählige Männer zu.

Hinzu kommt laut der Verteidigung: Auch dieser erste Artikel, der Hazel B. auf die Spur ihres mutmaßlichen Peinigers gebracht haben soll, enthielt ein Foto von Christian B. Das Prekäre: Ausgerechnet seine Augen – das Merkmal, anhand dessen Hazel B. Christian B. identifiziert haben will – waren auf diesem Bild von einem schwarzen Balken bedeckt.

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Gleichzeitig merkt die Verteidigung auch Unstimmigkeiten zwischen Hazel B.s Schilderungen von 2004 und heute an. Bei ihrer ersten Aussage nach der Tat in Portugal soll es aufgrund der Sprachbarriere zu Missverständnissen gekommen sein. Hazel B.s guter Freund, Paolo E., der damals für sie übersetzte, sollte am Donnerstag eigentlich vor Gericht aussagen. Doch er erschien nicht. Am Freitag soll der Prozess fortgesetzt werden.

Prozess gegen Christian B. in Braunschweig

Seit Mitte Februar muss sich Christian B. vor Gericht verantworten – wegen schwerer Sexualdelikte, die er zwischen 2000 und 2017 in Portugal begangen haben soll. Angeklagt hatte ihn die Staatsanwaltschaft Braunschweig im Oktober 2022. Sie wirft ihm drei Fälle schwerer Vergewaltigung und zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern vor.

Eines seiner Opfer soll Hazel B. sein, daran glaubt auch die Staatsanwaltschaft. Unter anderem soll es Parallelen zwischen ihrer Vergewaltigung und der einer US-Rentnerin aus dem Jahr 2005 geben. Für die wurde Christian B. zu einer Haftstrafe verurteilt.

Um Maddie McCann geht es dabei eigentlich nicht, immer wieder fällt aber auch während der aktuellen Verhandlung in Braunschweig der Name des vermissten Mädchens. Die damals dreijährige Britin verschwand 2007 aus einer Ferienanlage in Praia da Luz.

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SPIEGEL TV Doku auf RTL+

Das Verschwinden von Maddie McCann vor 17 Jahren gehört zu den größten Rätseln der Kriminalgeschichte. Bislang konnte nicht geklärt werden, wer das dreijährige Mädchen in Portugal entführte. Doch jetzt ist sich die Staatsanwaltschaft sicher, den wahren Täter zu kennen, und steht kurz davor, Anklage zu erheben: Es soll Christian B. (47) sein.

Für die Dokumentation „Verdächtig im Fall Maddie – Wer ist Christian B.?“ (hier auf RTL+ anschauen) hat sich SPIEGEL TV ein Jahr lang auf Spurensuche begeben und exklusiv mit Freunden und Weggefährten des Tatverdächtigen gesprochen. Dabei wurden neue Erkenntnisse über den Mann gewonnen, der möglicherweise ein Verbrechen begangen haben soll, das die ganze Welt erschüttert hat.

Braunschweig

Niedersachsen

Madeleine "Maddie" McCann

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